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Tiere können nicht für sich selbst sprechen.
Und deshalb ist es so wichtig, daß wir als
Menschen unsere Stimme für sie erheben
und uns für sie einsetzen.
(Gillian Anderson)
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PRESSE |
"Pro und Contra: Hunde aus dem Süden"
von Cornelia Baumsteiger
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In der Sendung ServiceZeit Tiere suchen ein Zuhause werden immer wieder Hunde
vorgestellt, die Tierschützer aus südlichen Urlaubsländern gerettet
haben. Das erregt viel Mitleid und Zustimmung, aber auch heftige Kritik. Tierschutz
kann nicht an Landesgrenzen aufhören, denn in vielen Urlaubsländern leiden
Tiere entsetzlich, ist ein dafür sprechendes Argument. Wir haben in Deutschland
genug arme Tiere und die Tiere aus dem Ausland schleppen Krankheiten und Seuchen
ein sind die Gegenargumente.
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Das elende Leben und Sterben der Straßenhunde, die qualvolle Haltung von
Kettenhunden ohne Schutz vor brennender Sonne im Sommer und kalter Nässe im
Winter, das grausame Sterben in so genannten Tierheimen, in denen die
Todesspritze direkt ins Herz noch eine Gnade ist, haben die Befürworter
der Rettung ausländischer Hunde nach Deutschland und ihre Vermittlung in
deutsche Haushalte motiviert.
Viele deutsche Touristen bemerken das tierische Elend in nächster Nähe nicht
einmal oder fühlen sich gestört. Sie erheben Anspruch auf wolkenfreien Urlaub
und schließen in diesen Anspruch auch von Straßentieren befreite Hotelanlagen
und Shoppingzentren ein. Diese Einstellung ist unzähligen Hunden und Katzen
zum Verhängnis geworden, denn um ihre Kunden zufrieden zu stellen, lassen
Gemeinden und Hotels die Tiere vergiften oder einfangen und in Tötungsstationen
unterbringen, wo sie nach Ablauf einer kurzen Frist sterben müssen.
Das wiederum hat Tierschützer auf den Plan gerufen. Da in den südlichen
Urlaubsländern Tierschutz keine oder nur eine sehr geringe Rolle spielt,
gibt es vor Ort selten organisierten Tierschutz von Einheimischen. So
sind zahlreiche Projekte von Deutschen (oder auch Schweizern, Engländern
etc.) initiiert worden, die in den jeweiligen Ländern leben und das Leid
der Tiere nicht mehr ertragen konnten.
Es wurde Land gekauft oder gepachtet, einfachste Tierheime gebaut,
Pflegestellen gesucht, Kastrationsstationen eingerichtet und Futterplätze
bestückt. Mit meist ganz wenig Geld, ständigen Anfeindungen aus der
Bevölkerung und Schikanen durch Behörden ist diese Arbeit kraftzehrend
und, von Misserfolgen begleitet, nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Schnell sind die Tierheime oder Unterbringungsmöglichkeiten überfüllt,
oft fehlt das Geld fürs Nötigste.
Dann stehen engagierte Tierschützer trotz aller Mühe wieder am Anfang.
In dieser Situation ist der Transport zumindest einiger Tiere nach
Deutschland, wo sie sich in der Regel schnell vermitteln lassen, die
einzige Hoffnung: für das Überleben der Herrenlosen und die Moral
ihrer Retter. Denn im Land selbst ist Vermittlung der Tiere kaum möglich.
Wenn Tierschützer in Spanien, Italien, Griechenland oder der Türkei Fund-
und Straßentiere gesund pflegen, impfen, von Parasiten befreien und
vielleicht sogar kastrieren und sie dann doch nicht retten können, weil
es keine Unterbringung mehr gibt, sie trotz anderslautender Versprechen
der Gemeinden eingefangen oder vergiftet werden, dann macht dies das
Leben für die vielen engagierten Tierfreunde unerträglich. Silke Wrobel
mit ihrer Arche Noah auf Kreta ist ein solches Beispiel.
Gleichzeitig ist in Deutschland die Nachfrage nach lieben kleinen
Familienhunden sehr groß. Sie kann nur durch Zucht befriedigt werden.
Oder eben durch Importe ausländischer Hunde. Heike Schumacher, Leiterin
des Tierheims Velbert: Wir sehen nicht ein, dass in Deutschland Hunde
gezüchtet werden, und nur zwei Flugstunden von uns entfernt massenhaft
liebe, freundliche Hunde getötet werden!
Eine verbreitete Meinung unter Tierfreunden. So haben zahlreiche Tierheime
oder Tierschutzvereine Partnerschaften mit Tierschutzprojekten im Ausland
aufgebaut. Das Europäische Tierhilfswerk unterstützt Kooperationspartner
in Südeuropa, auch der Deutsche Tierschutzbund fördert solche
Vertragstierschutzvereine. Zusätzlich werden immer mehr Touristen vor Ort
auf die Arbeit deutscher Tierschützer aufmerksam.
Susann Michels und Antje Stockhaus kamen von ihrem ersten Urlaub auf
Kreta sehr bedrückt von dem Tierelend zurück, das sie auf den Straßen
sehen mussten. Sie hatten die Arche Noah von Silke Wrobel kennen
gelernt und beschlossen, den nächsten Urlaub als Tierheim-Helfer
zu verbringen. Sie brachten sich beide ein Hündchen aus dem Tierheim
mit. Wie unsinnig wäre es, wenn sie die Tiere dort gelassen und sich
ihren kleinen Hausgenossen bei einem deutschen Züchter bestellt hätten.
Denn in hiesigen Tierheimen sind kleine Mischlinge kaum zu finden.
Heike Schumacher nimmt immer, wenn die Kapazitäten ihres Tierheims das
erlauben, Hunde aus Spanien auf und bewahrt sie so vor dem sicheren Tod.
Aus langjähriger Erfahrung weiß sie, dass Hunde aus dem Süden in der
Regel besonders anhängliche und soziale Tiere sind, die sich gut und
schnell vermitteln lassen. Die schlechte Erfahrung mit Menschen vergessen
sie bald und genießen jede Zuneigung. Das hat sich unter Interessenten
herumgesprochen, und so kommen Besucher ins Tierheim, die gezielt nach
solchen Tieren fragen.
Hohe Besucherzahlen verbessern aber die Vermittlungschance für alle Hunde.
So widerspricht Heike Schumacher dem Argument der Gegner von Importen.
Sie fürchten um die Chancen für deutsche Hunde, sagen sie. Dieses Argument
ist nur bedingt nachzuvollziehen und das auch nur, wenn es um große Hunde
geht. Jedes Tierheim, jeder Tierschutzverein weiß, wie viele Interessenten
nach kleinen Hunden suchen und keine finden. Diese Leute würden niemals
einen Schäferhund, Rottweiler oder Dobermann zu sich nehmen. Andere
suchen junge Hunde, auch Mangelware, es sei denn, man geht zum Züchter.
Die große Überzahl von Hunden in deutschen Tierheimen sind große, ältere,
schwierige.
Nicht zuletzt ist ja die Sendung ServiceZeit Tiere suchen ein Zuhause
dafür da, gerade für solche die richtigen Menschen zu finden. Das geht
nicht, indem man den hübschen, jungen Ausländern die Einreise verbietet.
Damit heizt man nur die Zucht und den Hundehandel an. Dies aber ist keine
Garantie für einen gesunden Hundebestand. Im Gegenteil.
Amtsveterinäre, die gegen das Verbringen von Hunden aus dem Süden wettern,
weil diese Krankheiten einschleppten, kümmern sich wenig um schlechte
Massenzuchten, so genannte Vermehrer, oder um Hundehändler aus Holland
oder Osteuropa, die armselige, unter schlimmen Bedingungen gezüchtete
Wesen billig auf den Markt werfen. Wo ist da die Gesundheitsvorsorge?
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Dabei geben sich die Mehrzahl der Tierschützer, die Hunde aus dem Süden
retten, gerade in der Frage der Gesundheit viel Mühe: Impfen, Befreiung
von Parasiten und Leishmaniose-Tests gehören zum Standard. Denn es geht
um Tierschutz.
Eine Schutzgebühr, die dann verlangt wird, was Veterinäre und auch
Tierschützer als Handel verurteilen, deckt in der Regel nur einen
Teil der entstandenen Kosten. Sie der Gewinnorientierung zu bezichtigen
ist ein Schlag ins Gesicht all der Tierschützer, hier und besonders vor
Ort, die ihre ganze Freizeit, viel eigenes Geld, viel Kraft und Kummer
investieren.
Tatsächlich ist es wichtig, den Gesundheitszustand der Tiere zu überprüfen,
die nach Deutschland eingeführt werden. Tollwutimpfung und ein Alter von
mindestens vier Wochen ist absolute Pflicht. Eine gültige Komplettimpfung
sollte ebenfalls vorhanden sein. Da erschreckend viele deutsche Tierärzte
über Krankheiten nicht Bescheid wissen, die rund um das Mittelmeer vorkommen,
ist es unerlässlich, am Ort testen zu lassen. Leishmaniose, Ehrlichiose
(Weidefieber, tick-borne fever), Filariose (durch Fadenwürmer hervorgerufen)
sind Krankheiten, an denen importierte Hunde sterben, wenn diese nicht
erkannt werden. Diese Krankheiten sind jedoch, anders als Veterinäre immer
noch behaupten, keine Seuchen. Besonders von Leishmaniose wird gerne
behauptet, sie sei übertragbar auf Mensch und Hund. Immer wieder werden
Besitzer von Hunden, bei denen die Krankheit festgestellt wurde, unnötig
und verantwortungslos von uninformierten Tierärzten in große Sorge versetzt.
Eine Übertragung auf Menschen ist aber noch niemals nachgewiesen worden,
bezüglich der Hunde spukt ein unbewiesener Fall durch die Literatur.
Leishmaniose wird von Insekten übertragen, die rund um das Mittelmeer vorkommen.
Sie und nur sie tragen die Parasiten von Hund zu Hund oder Mensch. Deutschland
ist diesen Insekten zu kalt, Mallorca aber, das von Millionen deutscher Urlauber
besucht wird, ist besonders befallen. Viele von ihnen müssten mit Leishmaniose
infiziert aus dem Urlaub kommen.
Vorsorglich sollte jeder, der einen Hund aus dem Mittelmeerraum besitzt, den
Tierarzt über diese Tatsache informieren, auch jeder, der seinen Hund einmal
mit in den Urlaub genommen hat. Nicht der Übertragung wegen, sondern zu
besseren Diagnosemöglichkeit.
Auf innere und äußere Parasiten ist besonders zu achten. Logischerweise sind
schlecht ernährte Streuner von allen Arten dieser ungebetenen Gäste befallen.
In den meisten Fällen bedrohen sie das Leben der Tiere nicht, übertragen sich
aber sehr schnell, sind höchst lästig, hartnäckig und mitunter langwierig zu
bekämpfen. Wer also eine Hund oder eine Katze im Urlaub auf der Straße findet,
sollte sich die Mühe machen, einen Tierarzt aufzusuchen, am besten ein Tierheim
unter deutscher Leitung, und das Tier nicht ohne Impfung und Beratung nach
Deutschland mitnehmen.
Wenn Zöllner Tiere ohne gültigen Impfausweis entdecken, gibt es staatlich
garantierten Ärger für die Begleiter: Entweder wird das Tier auf deren Kosten
unverzüglich zurückgeschickt und zu Hause ausgesetzt oder es darf bleiben,
aber in Quarantäne. Das kann den Tierfreund dann schnell einige tausend Mark
kosten. Ein Tourist darf außerdem maximal drei Tiere für sich mit nach
Deutschland bringen. Ausnahme ist eine Mutter mit Babys. Für die Kleinen
gilt dann der Impfschutz der Mutter. Grundsätzlich ist vorab eine Information
über die Pflichten und Rechte bei der Einfuhr von Tieren aus Urlaubsländern
sehr hilfreich, um Probleme am Zoll zu vermeiden. Der deutsche Tierschutzbund
und das Europäische Tierhilfswerk sind Ansprechpartner.
Susann Michels und Antje Stockhausen haben ihre Tiere aus dem Tierheim von
Arche Noah auf Kreta mitgebracht. Hunde, die sie auf der Straße fanden,
haben sie im Tierheim abgegeben. Das ist eine ideale Lösung. Denn im Tierheim
weiß man genau über Einfuhrbedingungen Bescheid, alle Tiere sind bereits geimpft,
entfloht und entwurmt, ihr Wesen ist bekannt und sie werden vor der Abreise
noch einmal untersucht.
Ein Argument der Gegner von Importen, Importe seien keine Lösung, trifft
natürlich zu. In den betroffenen Ländern selbst muss vieles geändert werden.
Erziehung zum Respekt vor anderen Lebewesen und zur Verantwortung für
Mitgeschöpfe ist eine schwere, aber entscheidende Aufgabe.
Kastration der Tiere zur Vermeidung massenhafter Vermehrung wäre die
wichtigste Maßnahme. Aber gerade das stößt bei der Bevölkerung und bei
Tierärzten auf heftigen Widerstand, nicht zuletzt aus religiösen Gründen.
Trotzdem werden von hier aus bereits Kastrationsprogramme organisiert,
deutsche Tierärzte operieren kostenlos vor Ort.
Der Tierschutzverein Tierhilfe Süden hat sich ausschließlich Tierschutz
außerhalb Deutschlands zum Programm gemacht. Die deutschen Tierschützer
im Ausland benötigen dringend finanzielle Hilfe, die Gleichgesinnte in
Deutschland aufzutreiben versuchen. Alles ist aber bisher ein ganz kleiner
Anfang.
Europapolitiker interessieren sich nicht für Tierschutz. Gerade in Ländern
die in die Gemeinschaft aufgenommen werden wollen, könnte man Druck ausüben,
es geschieht aber nicht. Anfragen von Tierschützern bleiben ohne Wirkung.
Touristen könnten Druck auf die Lokalpolitiker ihres Urlaubsorts oder auf
Reiseveranstalter ausüben. Wenn keine Touristen mehr kommen, geht das
Umdenken ganz schnell. So lange Tierschutz eine so kleine Lobby hat,
so lange das Leid der Tiere in Ländern, die Deutsche millionenfach bereisen,
so schrecklich ist und Tierquälerei zum alltäglichen Straßenbild gehört,
so lange kann man Tierfreunden nicht verdenken, dass sie Hunde und Katzen
retten möchten, indem sie sie nach Deutschland bringen. Denn zurzeit ist
das noch die einzige Rettung.
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Quelle: WDR, ServiceZeit "Tiere suchen ein Zuhause", Sendung vom 19. November 2000
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